Unser Verband gehört zu den traditionsreichen deutschen Frauenverbänden und ist als gemeinnützig und förderungswürdig anerkannt. Er arbeitet überparteilich und überkonfessionell.
Dr. Elisabeth Kessler-Slotta
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Elke Cronau
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Aufbruch der Frauen
Im Jahre 1865 legt die Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters mit einer ersten deutschen Frauenkonferenz in Leipzig den Grundstein für die organisierte Frauenbewegung in Deutschland. Doch erst 1894 schließen sich Frauenvereinigungen zum Bund Deutscher Frauenvereine zusammen, um die Interessen der Frauen wirksamer vertreten zu können. Nur die vielseitig gebildete Frau, das ist allen Frauenrechtlerinnen klar, kann den Aufgaben der Erziehung, der sozialen, kulturellen und beruflichen Arbeit umfassend nachkommen.
Lina Morgenstein, die Begründerin der Suppenküchen, beruft 1896 die 1. Internationale Frauenkonferenz ein. Die Frauen haben erkannt, dass nur durch einen Zusammenschluss und gemeinsame Aktionen in der Öffentlichkeit etwas für die Emanzipation bewirkt werden kann.Kampf dem Korsett!
Der Frauenkongress gibt dann auch die Initialzündung zur Gründung des Vereins für Verbesserung der Frauenkleidung – der Keimzelle des heutigen Verbandes Frau und Kultur – am 11. Oktober 1896 in Berlin. Ein klar umrissenes Ziel hatten die Gründerinnen vor Augen: Befreiung der Frau von der gesundheitsschädigenden Modetyrannei. Der Verzicht auf einschnürende Statussymbole der bürgerlichen Gesellschaft war nicht nur ein Akt medizinischer Vernunft, sondern auch ein Akt der Emanzipation.
Schnittmuster für Reformkleider: Hilfe zur Selbsthilfe
Das große Verdienst des neugegründeten Vereins: Es wird nicht nur protestiert, sondern gehandelt. Reformkleider sollen für jede Frau erschwinglich sein. Also werden Schnittmusterbogen entwickelt, Anleitungen zum Selbstschneidern alltagsgerechter Modelle gegeben, Berufskleider entworfen und Nähstuben eingerichtet. Unter dem Motto „Gesund, praktisch, schön“ wurde die in eigenen Ateliers entwickelte Reformkleidung in den Zweigstellen vorgestellt. Werbewirksam ist dabei die seit 1897 bestehende eigene Vereinszeitschrift. Die Idee der Kleiderreform passt gut ins Konzept der überall aufblühenden Reformbewegungen für eine natürliche Lebensweise.
Aufbau eines Netzwerkes
Besonders aktiv ist der 1897 gegründete Dresdner Zweigverein, der sich von Anfang an um internationale Kontakte bemüht. In Wien, England, Riga und in Holland entstehen Zweigvereine, und auch innerhalb Deutschlands werden die Verbindungen zu anderen Frauenorganisationen ausgebaut.
Der Deutsche Verband zur Verbesserung der Frauenkleidung, wie er seit 1907 heißt, ist nun in zahlreichen deutschen Städten vertreten. Deutlich wird das Bemühen um ästhetisch-künstlerische Kleidergestaltung und den Mut zu Individualität.
Sozialer Einsatz und kulturelle Schwerpunkte
Mit dem Ersten Weltkrieg kommen neue Aufgaben auf den Verband zu. Soziale Dienste für Soldaten und Zivilbevölkerung stehen nun im Mittelpunkt. Es werden Nähkurse und Heimarbeit organisiert, Patenschaften und Pflegedienste übernommen.
Der Verband, der seit 1914 Deutsche Frauenkleidung und Frauenkultur heißt, organisiert nach dem Krieg Kleiderschauen und Wohnberatung. Es werden Vorträge über gesunde Ernährung gehalten, künstlerische und kunsthandwerkliche Techniken vermittelt. Fragen der Erziehung rücken mehr und mehr in den Vordergrund. Der Versuch, handwerkliche und lebenspraktische Tätigkeiten mit ästhetischen und kulturellen Ansprüchen zu verbinden, bleibt ein Hauptanliegen. Der Verband Deutsche Frauenkultur, wie er seit 1929 heißt, hat nun über 70 Zweiggruppen.
Zusammenhalt in Notzeiten
1934 werden die deutschen Frauenverbände in das Deutsche Frauenwerk eingegliedert und somit in ihrer Handlungsfreiheit stark eingeschränkt. Etliche Gruppen lösen sich auf. Als 1936 auch die Zeitschrift vereinnahmt wird, gelingt es, wenigstens die Beilage „Unsere Kleidung – unser Werk“ selbständig weiterzuführen.
Die Verbandsarbeit kommt 1944 ganz zum Erliegen. 1945 werden in Nürnberg Werkstätten und die Geschäftsstelle mit allem Archivmaterial zerstört. Doch nach Kriegsende trifft man sich wieder in improvisierten und schäbigen Unterkünften, der Herzlichkeit und dem Tatendrang tut dies keinen Abbruch.
1948 findet in Hohenlimburg die erste Nachkriegstagung des Verbandes statt – getragen von Zukunftshoffnung und dem Willen zum Weitermachen. Allerdings haben die Gruppen jenseits der Elbe, Oder und Neiße nicht mehr die Möglichkeit, sich als Verband neu zusammenzufinden. Doch die Solidarität und Hilfsbereitschaft über Grenzen hinweg bleibt bestehen.
Während es anfangs noch ums Organisieren elementarer Lebensgrundlagen geht und Kultur gewissermaßen zu den Luxusgütern gehört, erwacht schon bald wieder das Bedürfnis nach kulturellen Erlebnissen.
Ausbau der Sachgebiete
Deshalb wird die schon vor dem Krieg bestehende Aufteilung des kulturellen und sozialen Spektrums in einzelne Sachgebiete erweitert. Schwerpunkte sind Kunst, Literatur, Erziehung, Gesundheit und Werkgestaltung. Später kommen Musik und Theater, Umwelt, Medien und Soziales dazu. Die Wohnberatung nimmt vor allem in der Aufbauphase eine wichtige Stellung ein. Da sich auch ein unpolitischer Verband nicht der politischen Stellungnahme und Verantwortung entziehen kann, wird das Sachgebiet Staatsbürgerliche Verantwortung geschaffen.
Von „Frauenkultur“ zu „Frau und Kultur“
Dass die Deutsche Frauenkultur sich 1973 umbenennt, hängt mit einem gewandelten Kulturverständnis und einem entspannteren Verhältnis der Geschlechter zusammen. Die Frau sollte sich weder am Maß der Männer messen, noch eine feindliche Gegenkultur aufbauen. Sie sollte sich überlegen, welche kulturellen Werte für sie wichtig sind und diese in ihrem Sinne ausgestalten. Die Frage der Zukunft in einer zunehmend technisierten, anonymen, hektischen Welt wird nicht heißen, ob Frauenkultur neben Männerkultur bestehen kann, sondern ob es gelingen wird, Kultur als lebenswichtiges Element im Alltag zu verankern.
Sind Frauenverbände noch zeitgemäß?
Sind die Probleme, die uns heue auf den Nägeln brennen, nicht allgemeine Probleme, die auch Männer angehen? Was spricht für die Beibehaltung eigener Frauenverbände? Was spricht für Frau und Kultur?
Frauenverbände sind ein Übungsfeld für Öffentlichkeitsarbeit. Sie bieten engagierten Frauen Entfaltungsmöglichkeiten und vermitteln ihnen Sachkompetenz und damit Selbstvertrauen auch über den Verbandsrahmen hinaus. Im Verband erleben Frauen, was ihnen im Haushalt oder am Arbeitsplatz oft fehlt: Gedankenaustausch in der Gemeinschaft. Dabei wachsen Kommunikationsfähigkeit und Bereitschaft zur Toleranz. Bei Aktionen, die Teamarbeit erfordern – seien sie sozialer, künstlerischer oder geselliger Art -, entsteht aus der gemeinsamen Verantwortung heraus ein Wir-Gefühl, das oft über Jahrzehnte verbindet und weiter besteht, wenn die Beteiligten durch Alter oder Krankheit nicht mehr aktiv am Verbandsgeschehen teilnehmen können. Sich in einer Gruppe aufgehoben zu wissen, kann in Notsituationen besonders wichtig sein.
Braucht es dazu einen Verband? Fest steht: Ohne ein Netzwerk aus Gruppen- und Sachgebietsarbeit, eine Zeitschrift als verbindendes Element, einen Bundesvorstand, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, hätte sich der Verband Frau und Kultur niemals über einen so langen Zeitraum behaupten und entfalten können.
Wie wird es weitergehen?
Eine neue Zeit bringt neue Fragestellungen, neue Herausforderungen. Die Zukunft des Verbandes hängt davon ab, ob und wie wir sie bewältigen. Zum Beispiel:
- die Notwendigkeit lebenslangen Lernens und die Hilfestellung auch in sozialer Hinsicht, die der Verband dabei bieten kann
- die Ausweitung nationaler und internationaler Kontakte
- die Achtsamkeit auf Bedürfnisse älterer und alleinstehender Menschen
- die Öffnung der jungen Generation gegenüber, die Bereitschaft, auf ihre Vorstellungen und Probleme einzugehen.
- Der Aufgaben gibt es viele. Der Verband Frau und Kultur hat sich in der Vergangenheit als traditionsbewusst, aber gleichzeitig als aufgeschlossen und wandlungsfähig erwiesen. Er wird auch den vielfältigen Anforderungen der Zukunft gewachsen sein.<
Aus der Verbands-Chronik von Irma Hildebrandt